Auftraggeber darf trotz überschrittenem Kostenvoranschlag die Vergütung nicht kürzen

Zu den Rechtsfolgen eines überschrittenen Kostenvoranschlags.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 19.11.2014 – 2 U 172/13

 

Der Sachverhalt:
Der Auftragnehmer überschreitet im Bauverlauf seinen Kostenvoranschlag, ohne dem Auftraggeber dies anzuzeigen. Die Schlussrechnung des Auftragnehmers ist dann fast doppelt so hoch wie der Kostenvoranschlag. Der Auftraggeber zahlt nur den Betrag des Kostenvoranschlag, der Auftragnehmer klagt den Rest ein.

Die Entscheidung:
Der Auftraggeber muss auch den Rest bezahlen und nicht nur den Betrag des Kostenvoranschlags. Interessant ist dabei folgende Hilfsargumentation des Gerichts:

Selbst wenn der Auftragnehmer die Anzeigepflicht nach § 650 Abs. 2 BGB schuldhaft verletzt, steht dem Auftraggeber ein die Vergütung begrenzender Schadensersatzanspruch nur zu, wenn ihm aus dieser Pflichtverletzung nachweislich ein Schaden entsteht.

Hat ein Auftragnehmer seine Anzeigepflicht verletzt, dann besteht seine Schadensersatzpflicht darin (sog. negatives Interesse), dass er den Auftraggeber so stellen muss, wie dieser stehen würde, wenn ihm die zu erwartende Kostenüberschreitung rechtzeitig angezeigt worden. Dazu ist die hypothetische Frage zu stellen, ob der Auftraggeber bei rechtzeitiger Anzeige der Kostenüberschreitung den Werkvertrag gekündigt hätte. Hätte der Besteller den Vertrag nicht gekündigt, insbesondere weil er auf den Werkerfolg angewiesen ist und ihn auch anderweitig nicht preisgünstiger hätte erreichen können, so fehlt es an einem Schaden.

Davon geht das Gericht aus. Der Auftraggeber wollte die Werkleistung behalten, weil sie erforderlich war. Und selbst wenn man eine Kündigung unterstellen würde, ist nicht ersichtlich, dass der Auftraggeber den Auftrag an einen anderen Unternehmer zu einem günstigeren Preis hätte vergeben können und deswegen eine sich hieraus ergebende Differenz als Schaden erstattet verlangen könnte.

RA Jungs Nachtrag:
Auftraggeber sind häufig der Ansicht, bei einem Kostenvoranschlag seien sie nur verpflichtet, eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen, allenfalls zuzüglich einer zulässigen Überschreitung bis maximal 20 % des Kostenvoranschlages.

Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Ausgangspunkt ist ein möglicher Schadensersatzanspruch des Auftraggebers, zum Beispiel wegen der Verletzung der Anzeigepflicht bezüglich der entstehenden Mehrkosten. Dieser Anspruch begrenzt dann gegebenenfalls den Schlusszahlungsanspruch des Auftragnehmers. Wenn aber, wie hier, der Auftraggeber die Bauleistungen unbedingt benötigt und daher nicht gekündigt hätte und auch nicht ersichtlich ist, dass er einen günstigeren Auftragnehmer gefunden hätte, so ist eben kein Schaden entstanden. Dann ist der volle Schlusszahlungsanspruch ungekürzt zu leisten. Das dürfte in der Mehrzahl der Überschreitungen der Fall sein, so dass die Überschreitung eines Kostenvoranschlages häufig keine Auswirkungen hat.

 

 

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