Bauvertrag nach BGB: Keine Mängelrechte vor Abnahme!

Grundsatzurteil! Seit 15 Jahren umstritten, nun hat der VII. Senat des Bundesgerichtshofs in sein Urteil vom 19.01.2017 veröffentlicht. (Az.: VII ZR 301/13).

Doch was bedeutet das in der Praxis? Lesen Sie hier die Einschätzung von unserem Fachanwalt Thor. Jung:

 

Die Entscheidung berührt einen alltäglichen Sachverhalt des Bauens. Der Auftragnehmer bietet seine Leistungen zur Abnahme an, der Auftraggeber entdeckt wesentliche Mangel und will die Abnahme verweigern.

 

Das Dilemma liegt darin, dass die Mängelrechte – wie zum Beispiel Ersatzvornahme, Minderung, Schadensersatz oder Vorschussanspruch – erst nach der Abnahme geltend gemacht werden können, also eine Abnahme gerade voraussetzen.

 

Soll  der Auftraggeber nun trotz erkannter Mängel  die Abnahme erklären? Obwohl er sie verweigern dürfte. Nur um an die Mängelansprüche heranzukommen?

 

Dem Auftraggeber dies zu raten, also die Abnahme (unter Erklärung eines Vorbehalts wegen der Mängel)  zu erklären, ist nicht unproblematisch. Denn mit der Abnahme als Dreh- und Angelpunkt im Bauverlauf handelt sich der Auftraggeber erhebliche Nachteile ein:

so wird die Schlusszahlung fällig, die Beweislast für das Vorhandensein von Mängeln dreht sich auf den Auftraggeber um, die Gefahr geht auf den Auftraggeber über und die Gewährleistungsfrist beginnt.

 

Der BGH stellt zwar in diesem Grundsatzurteil  klar, dass die Mängelansprüche erst nach der Abnahme geltend gemacht werden können, durchlöchert dieses Prinzip aber mit derart vielen Ausnahmen, dass fast keine Regel mehr übrig bleibt.

 

Im Einzelnen:

 

Entscheidet sich der Auftraggeber für den Schadensersatzanspruch, den Minderungsanspruch oder den Ersatzvornahmeanspruch, verwandelt er das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis und in diesem kann der Auftraggeber diese Mängelrechte auch ohne Abnahme geltend machen. Die Abnahmeverweigerung stellt hier somit kein Problem dar.

 

Entscheidet sich der Auftraggeber aber für den Kostenvorschussanspruch, also den Anspruch auf Zahlung der für die Nachbesserung erforderlichen Aufwendungen, so ist hierfür grundsätzlich die Abnahme eine Voraussetzung für diesen Anspruch.

 

Der Auftraggeber kann aber auch bei Wahl des Vorschussanspruchs dann bei seiner Abnahmeverweigerung verbleiben, wenn er gegenüber dem Auftragnehmer erklärt, unter keinen Umständen mehr mit ihm zusammenarbeiten zu wollen.

 

Für die Praxis ist somit letztlich kaum noch ein Fall zu erkennen, in welchem der Auftraggeber im Falle einer Abnahmeverweigerung wegen Mängeln nicht doch auch die Gewährleistungsansprüche des Werkvertragsrechts für sich in Anspruch nehmen könnte.

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